Bitter ist besser
Immer wieder höre ich bei meinen Seminaren, dass einige Teilnehmer – und erst recht deren mitgereiste Ehefrauen – kein bitteres Bier mögen. Ich lasse sie dann nach Möglichkeit dieses und jenes kosten. Und stelle oft fest, dass es gerade die bitteren (oder sagen wir lieber: herben) Biere sind, die von diesen Teilnehmern anschliessend als besonders wohlschmeckend empfunden werden. Woran liegt das eigentlich?
Mit dem Bittergeschmack ist es ähnlich: Hier gibt es nicht nur beim Bier (das vor 100 Jahren allein schon aus technologischen Gründen viel bitterer war als heute) die Tendenz weg von der Bittere. Dieselbe Tendenz gibt es auch bei dem anderen wichtigen Bittergetränk, dem Kakao. Kakao und noch mehr die feste Form Schokolade sind in ihrer gängigen kommerziellen Ausprägung immer süsser geworden.
Aber es gibt wie bei allen grossen Trends auch hier eine Gegenbewegung: Der Steirer Josef Zotter hat uns in den letzten Jahren das Schokoladenessen jenseits des süss-fett-vanillearomatisierten Mainstreams beigebracht, andere Chocolatiers haben Schokoladen aus Kakaobohnen verschiedener Herkünfte und mit immer höherem Kakaoanteil hergestellt. Solche feinen Produkte gaben wiederum Anstoss für Premium- und Superpremium-Produkte der grossen Hersteller. Sie haben ein Publikum erschlossen, dass weiss, dass bitter besser ist als picksüss.
Allerdings wird das Wort bitter bei solchen Nobelschokoladen vermieden, es kommt allenfalls als „zartbitter“ oder „edelbitter“ vor, lieber aber wird es durch „herb“ ersetzt. Diese Bezeichnung sagt zwar dasselbe, schreckt aber offenbar weniger ab. Gourmet-Brauer haben sich da etwas von den Gourmet-Chocolatiers abgeschaut. Neuerdings gibt es das „Einhundert.BE“ – das bitterste Pils der Welt. Dieses Bier kommt aus einer kleinen Landbrauerei in Uttendorf, deren „normales“ Pils schon ungewöhnlich hohe 42 Bittereinheiten hat. Hier also sind es 100 Bittereinheiten – und wer das Bier kostet, wird überrascht feststellen, dass bitter entgegen gängigen Vorurteilen ein sehr angenehmer Geschmack ist.
Wollen Sie also lieber ein bitteres Bier oder ein herbes? Die Wortwahl macht es: Das herbe Bier wird dem bitteren vorgezogen – auch wenn in beiden Gläsern Bier aus derselben Flasche ist…
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