5.8.06

Was bringen Breathable Gläser für Bier?

Kürzlich hat mich jemand darauf aufmerksam gemacht, dass ich im Stern mit einem Weinglas abgebildet war – ob ich denn heimlich dem Biere abgeschworen hätte und zum Weintrinker geworden wäre? Nein, keineswegs. Gläser mit Wein rühre ich nur zu ganz seltenen Gelegenheiten an – wenn es eben einen ganz seltenen Wein zu verkosten gibt.

Weingläser andererseits nehme ich oft in die Hand. Wenn ich, wie für den Stern, Dutzende Biere verkosten soll, dann sind Weingläser stets besser geeignet als Biergläser: Erstens beeinflussen Aussehen und Form eines Weinglases nicht die Erwartungshaltung an das Bier - allein die Form eines „richtigen“ Bierglases würde ja (je nach Form) ein herbes Pils, ein vollmundiges Märzen oder ein fruchtiges Weizen erwarten lassen, ob nun tatsächlich dieser Biertyp im Glas ist oder nicht.

Zweitens können gut gewählte Weingläser die Aromen des zu verkostenden Bieres besser zur Geltung bringen – besonders, wenn es, drittens, um sehr kleine Proben geht. Beim Stern ging es immerhin darum, je ein Bier aus einer an der Fussball-WM teilnehmenden Nation ganz nach den Spielregeln gegen die anderen antreten zu lassen, bis wir am Schluss einen Weltmeister ermittelt hatten (beim Stern war es Tschechien mit Budweiser – aber das war lange vor Beginn der eigentlichen WM).

Die hohe Bedeutung, die Weingläser beim kritischen Verkosten von Bieren haben, ist auch den Glasherstellern bewusst. Immer wieder gibt es Anläufe der renommierten Glashütten, ein „ideales“ Bierglas herzustellen – aber es ist angesichts der Vielfalt der Bierstile und deren Interpretationen (die bekanntlich weit mehr Spielraum hat als das, was der Wein zu bieten hat) eine unlösbare Aufgabe, ein für alle Biere gleichermaßen gutes Glas zu kreieren. Allenfalls gibt es einen gangbaren Kompromiss, aber davon ein andermal.

Worum es hier gehen soll ist eine Innovation, die die Glashütte Eisch im bayerischen Wald entwickelt hat: So genannte „Breathable Glasses“ werden aus einem speziell zusammengesetzten Rohstoffmix in bleifreier Kristallglas-Qualität hergestellt. Nach dem eigentlichen Fertigungsprozess werden sie einem Oxigenierungs-verfahren unterzogen, das ihnen ihre einzigartigen Eigenschaften verleiht. Bei Weingläsern bedeutet das: Ein in solchen Gläsern servierter alter Wein wird ohne langwieriges Dekantieren und Belüften innerhalb weniger Minuten trinkbar.

Und wie ist das nun beim Bier? Ich habe die bei Eisch geblasenen „breathable“ Biergläser im Vergleich mit jeweils nicht „breathable“ ausgestatteten Varianten erprobt. Erster Eindruck: Bei vielen gängigen Bieren, sowohl vom Pilsner Typ als auch bei Weizenbieren war kein signifikanter Unterschied zu spüren. Dann der Versuch mit belgischen Spezialitäten. Das ausgezeichnete und mit neun Euro pro Flasche ab Brauerei nicht ganz billige „Deus“, ein spritziges und trockenes „biére brut de Flandres“ aus der Brauerei Bosteels zeigte sich in beiden Gläsern seines Preises wert, aber eben auch nicht unterschiedlich.

Dann also zu etwas Bodenständigerem: Eine Flasche Lagerbier aus der Brauerei Knoblach in Schammelsdorf führte erstmals zu signifikanten Ergebnissen. Dieses ungespundete Bier hat ja an sich weniger CO2, und tatsächlich war da auch ein geschmacklicher Unterschied. Ich ließ meine Frau und meine Tochter kosten: Beide sagten, dass sie hier ein stark bitteres und ein weniger bitteres Bier vor sich hätten. Bingo! Wo es um geringe Mengen Kohlensäure im Bier geht, nicht nur im bei ungespundeten fränkischen Bieren, sondern etwa auch bei alten Jahrgangsbieren, gibt es tatsächlich einen Unterschied. Das „Breathable Glass“ lässt die Biere milder wirken, weil weniger Kohlensäure auch den bitteren Eindruck zurücknimmt. Wenn’s wahr ist, dass Frauen milde Biere bevorzugen, dann wäre hier der Markt dafür – auch wenn dieser Effekt gerade bei den marktgängigen Sorten zu vernachlässigen ist.