16.2.06

Trügerische Brauerei-Statistik

Wenn man nicht genau hinschaut, ist das Brauereisterben vorbei - allerdings steckt ein statistischer Trick dahinter: In Deutschland gibt es immer mehr (Gast-)Hausbrauereien mit einem Ausstoß unter 5000 Hektolitern, ihre Zahl stieg von 643 Brauereien 1995 auf 804 im Jahr 2005 (+ 25,0%). Dagegen sank die Zahl der Brauereien mit einer Jahreserzeugung von 5 000 Hektoliter bis 500 000 Hektoliter deutlich um 28% von 585 im Jahr 1995 auf 421 im Jahr 2005. Bei den Großbrauereien mit mehr als 500 000 Hektolitern gab es ebenfalls einen Rückgang (54 im Jahr 1995, 49 im Jahr 2005) - dieser Rückgang reicht allerdings immer noch nicht aus, die vorhandenen Überkapazitäten vom Markt zu nehmen. Unter dem Strich sieht das dann so aus, dass die Zahl der deutschen Brauereien in den letzten zehn Jahren gleich geblieben ist. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, gab es im Jahr 2005 in Deutschland 1 274 Brauereien, kaum weniger als 1995 (1 282 Brauereien).

Bierpredigt in Friedrichshafen


Bei der "Fruchtwelt Bodensee" hatte ich nicht nur das Vergnügen, mit Bernhard Locher und Schwester Doris Engelhard ein hopfiges Pils aus der Kronen-Brauerei und anschließend mit der Hopfenkönigen ein Weiss-Gold Pils vom Meckatzer Löwenbräu zu verkosten.
Ich konnte auch in einem "Indoor-Biergarten" über Hopfenaromen, Biervielfalt und (Bier-)Genuss plaudern. In der Schwäbischen Zeitung wurde dem viel Platz gewidmet.
Kollegin Stefanie Wex schrieb: "Dass Adam und Eva nur vom Apfel genascht haben, weil es im Paradies kein Bier gab, erfährt der Zuhörer genauso wie die "Tatsache", dass Bier eigentlich gar keinen Durst löschen soll. Außerdem predigt der Bierpapst, Bier mit Parmesan zu vertilgen und lehrt uns, dass es zweierlei Menschen gibt: "Maltheads" und "Hopheads", die Süßen und die Bitteren sozusagen."
Die Kritik soll auch nicht verschwiegen werden: "Schon das Äußere ist skurril mit Trachtenhut und Fliegerbrille darauf; gewöhnungsbedürftig ist auch der Humor des Wieners. "Sex und Bier", darauf kommt der Bierpapst immer wieder zurück. Sprüche, wie "Es gibt nur zwei Wege, Freundschaften zu schließen: Gruppensex oder Biertrinken" und "Trinken Sie nur so viel Bier, dass Sie danach noch Sex haben können", sind für einige der bodenständigen Hopfenbauern etwas zu freizügig."

5.2.06

Lob der italienischen Untreue

Ich habe ja schon viele Bierverkostungen besucht und etliche davon selber geleitet – aber was ich gestern im Rahmen der Pianeta Birra in Rimini an Interesse und Offenheit erlebt habe, ist mir im deutschen Sprachraum noch nie untergekommen. Da sassen sechs Dutzend Vertreter der italienischen Bierwirtschaft, Gastronomen, Getränkefachgrosshändler und Journalisten und kosteten sich durch das breite Spektrum des Angebots exportorientierter amerikanischer Mittelstandsbrauereien – vom milden Export Ale der Shipyard Brewing Company in Maine (das aufgrund seiner raschen und schmeckbaren Alterung vielleicht nicht ganz fùr Export geeignet erscheint) über das gewürzte Winter Lager von Samuel Adams, das suesslich-vollmundige und aussergewöhnlich intensiv nach Kaffee schmeckende Milk Stout der Left Hand Brewing Company in Colorado bis hin zum 90 Minute IPA von Dogfish Head in Delaware.
Dieses Bier hat 90 Bittereinheiten und die Marketingverantwortlichen erzählen dazu, dass diesem Bier während 90 Minuten Sudzeit jede Minute etwas Hopfen (von der aggressiv bitteren US-Neuzüchtung Warrior) zugegeben wird. Dieses Bier entspricht (wie auch die anderen sieben) kaum dem, was sich ein "gelernter" Biertrinker (oder auch ein in Deutschland gelernter Brauer) unter Bier vorstellt, denn die neuen Biere aus der neuen Welt wenden sich nicht an jene, die mit dem alltäglichen Bierangebot ohnehin zufrieden sind. Wer tagtäglich "sein" Bier trinkt und dabei "seiner" Marke (ob das nun eine lokale oder eine globale ist, macht da keinen Unterschied) treu bleibt, kann mit Bieren, die anders schmecken, wenig anfangen. Wer auf einen Bierstil eingeschworen ist, tut sich mit anderen oft schwer: Ich kenne Pilstrinker, fùr die Weissbier "kein richtiges Bier" ist und umgekehrt – und ich erlebe diese Menschen sehr oft bei Verkostungen.
Nicht bei der in Rimini: Da waren mehr als 70 Kenner beisammen, die offen für ganz anderes Bier waren – und keines als a priori unverkäuflich einschätzten, sondern überlegten, wie und wo das eine oder andere Bier vermarktet werden könnte. Das 90 Minute IPA als Begleiter zu gegrilltem Schweinefleisch oder gar zu gewissen gegrillten Fischen (sicher nicht zu allen, da sich die Fette einiger Fische nicht mit der Hopfenbittere vertragen)? Das Milk-Stout vielleicht zur "Collazione", als "Frühstücksbier" in einer Kaffee-Bar?
Tatsächlich findet man selbst in kleinen italienischen Bars eine viel grössere Auswahl an Bierstilen als bei uns – mein italienischer Kollege Maurizio Maestrelli (Herausgeber des italienischen Bierguides "Birrerie d'Italia") mit der Untreue der italienischen Weintrinker, wenigstens der der jüngeren Generationen, erklàrt: Ein Weintrinker bleibe ja auch nicht einem Produzenten, einer Rebsorte und nicht einmal einer Region treu. Wer also Vielfalt gewohnt ist, ist auch offener für Neues. Deshalb bieten selbst die nicht auf Bier spezialisierten Bars meist ein internationales Lager (etwa Anheuser Busch B), ein italienischs Lager (Peroni), ein Ale (Kilkenny) und ein Stout (sehr oft das dànische Ceres) an. Und deutsches Bier – also das, was wir für "richtiges Bier" halten? Das ist in vielen Bars (noch) nicht vertreten – aber es hat sich in Rimini gut präsentiert (unter anderem mit einem bayerisch-bierigen Abendessen für italienische Getränkehändler). Die "Untreue" der Italiener bietet durchaus Chancen – wenn sich unsere Brauer interessant genug fùr einen "Seitensprung" machen.

Mehr über den italienischen Biermarkt auf www.mondobirra.org