17.2.08

Bitter ist besser

Immer wieder höre ich bei meinen Seminaren, dass einige Teilnehmer – und erst recht deren mitgereiste Ehefrauen – kein bitteres Bier mögen. Ich lasse sie dann nach Möglichkeit dieses und jenes kosten. Und stelle oft fest, dass es gerade die bitteren (oder sagen wir lieber: herben) Biere sind, die von diesen Teilnehmern anschliessend als besonders wohlschmeckend empfunden werden. Woran liegt das eigentlich?

Es gibt eine Reihe von Ansätzen, die den Widerwillen gegen bitteren Geschmack zu erklären versuchen. Der eine ist ein naturwissenschaftlicher: Die Natur habe es so eingerichtet, dass etliche Giftpflanzen eben bitter schmecken und der Bittergeschmack quasi Ungeniessbarkeit signalisiere. Der zweite Ansatz kommt aus der sprachlichen Bedeutung von „bitter“ – im Deutschen assoziieren wir (wesentlich stärker als etwa im Englischen) mit „bitter“ gleich auch „bittere Kälte“, „bittere Not“ und „bitteres Schicksal“.So gilt als Binsenweisheit, dass die Konsumenten mildes Bier bevorzugen – und das nicht nur bei uns: Jahr für Jahr sinkt der spezifische Hopfenverbrauch weltweit, gerade auf den wachsenden asiatischen Märken lassen sich wenig gehopfte Biere leichter verkaufen, was wieder das erste der angebotenen Erklärungsmuster zu bestätigen scheint.

Andererseits muss man wissen, dass viele Geschmäcker in die Kategorie „acquired taste“ also „erworbener“ oder „erlernter Geschmack“ fallen. Die ersten afrikanischen Sorghum-Biere, die ich vor etlichen Jahren in Südafrika kosten durfte, haben auf mich auch eher wie sauer gewordene Trinkschokolade als wie Bier gewirkt. Die Menschen in den Slums, die mir das Getränk lachend angeboten haben, haben es dagegen mit grosser Begeisterung (und in grossen Mengen) getrunken. Erst nach mehren Versuchen habe ich festgestellt, welche feinen Unterschiede es bei diesen Bieren gibt, die so ganz anders sind als das, was wir als Bier kennen.

Mit dem Bittergeschmack ist es ähnlich: Hier gibt es nicht nur beim Bier (das vor 100 Jahren allein schon aus technologischen Gründen viel bitterer war als heute) die Tendenz weg von der Bittere. Dieselbe Tendenz gibt es auch bei dem anderen wichtigen Bittergetränk, dem Kakao. Kakao und noch mehr die feste Form Schokolade sind in ihrer gängigen kommerziellen Ausprägung immer süsser geworden.

Aber es gibt wie bei allen grossen Trends auch hier eine Gegenbewegung: Der Steirer Josef Zotter hat uns in den letzten Jahren das Schokoladenessen jenseits des süss-fett-vanillearomatisierten Mainstreams beigebracht, andere Chocolatiers haben Schokoladen aus Kakaobohnen verschiedener Herkünfte und mit immer höherem Kakaoanteil hergestellt. Solche feinen Produkte gaben wiederum Anstoss für Premium- und Superpremium-Produkte der grossen Hersteller. Sie haben ein Publikum erschlossen, dass weiss, dass bitter besser ist als picksüss.

Allerdings wird das Wort bitter bei solchen Nobelschokoladen vermieden, es kommt allenfalls als „zartbitter“ oder „edelbitter“ vor, lieber aber wird es durch „herb“ ersetzt. Diese Bezeichnung sagt zwar dasselbe, schreckt aber offenbar weniger ab. Gourmet-Brauer haben sich da etwas von den Gourmet-Chocolatiers abgeschaut. Neuerdings gibt es das „Einhundert.BE“ – das bitterste Pils der Welt. Dieses Bier kommt aus einer kleinen Landbrauerei in Uttendorf, deren „normales“ Pils schon ungewöhnlich hohe 42 Bittereinheiten hat. Hier also sind es 100 Bittereinheiten – und wer das Bier kostet, wird überrascht feststellen, dass bitter entgegen gängigen Vorurteilen ein sehr angenehmer Geschmack ist.

Wollen Sie also lieber ein bitteres Bier oder ein herbes? Die Wortwahl macht es: Das herbe Bier wird dem bitteren vorgezogen – auch wenn in beiden Gläsern Bier aus derselben Flasche ist…